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Pobeda GAZ-M20G

ZWEISEITIGES SAKKO

In Kyjiw wurde die Restaurierung des einzigartigen Pobeda GAZ-M20G mit einem 6‑Zylinder-Motor abgeschlossen.

Ende der 1950er Jahre. Eines Abends taucht ein vom Aussehen her ganz gewöhnlicher Pobeda flink in die Gasse ein. Der Fahrer und der Beifahrer steigen schnell aus, wechseln das amtliche Kennzeichen und ziehen sich um, indem sie ihre Jacketts umkrempeln. Es ist aber keine einfache Kleidung: die umgekrempelten Jacketts verwandeln sich in die gleichen Kleidungsstücke, die aber eine andere Farbe haben.

Und der Pobeda scheint es auch in sich zu haben: zu schnell beschleunigte er und verließ den Hof unter dem effektvollen Kreischen der schmalen Räder. Nur ein Augenblick und schon verschwand er hinter der Kurve…

Im Zeitraum zwischen dem Sieg und dem Festival am 19. Juni 1945 zeigten die Gorkier der höchsten Parteileitung auf dem Roten Platz in Moskau zwei seine neuen PKW-Modelle.

Die neuen ungewöhnlichen Pontonkarosserien mit Stromlinien waren gleich, Unterschiede gab es bei Motoren und Kennungen der Fahrzeuge: in der Hauptstadt trafen der mit einem 4-Zylinder-Motor mit 50 PS ausgestattete GAZ-M20 und der GAZ-M25 mit einem 6‑Zylinder-Motor mit 76 PS ein.

Stalin war von den Neuheiten nicht gerade beeindruckt, am meisten kritisierte er die Version mit dem 6-Zylinder-Reihenmotor. Was soll der Unsinn? Warum soll eigentlich das einfache Massenfahrzeug in die Nische des ZIS einsteigen und dazu noch zu viel Kraftstoff verbrauchen?

Der Generalissimus gab nur die 4-Zylinder-Version zur Produktion frei. Und so wurde der GAZ-M20 mit dem alternativlosen 4-Zylinder-Motor in den nächsten 10 Jahren produziert. Aber dann erhielt das Werk einen unerwarteten Auftrag.

1957 hat in der Hauptstadt der UdSSR das internationale Festival für Jugendliche und Studenten stattfinden sollen. Das ganze Land begann sich im Vorhinein auf das aufregende Ereignis vorzubereiten, allen voran waren die Sicherheitsdienste. Es galt, das hochwertige Geleit und die Bewachung von zahlreichen Delegationen der ausländischen Gäste sicherzustellen. Die gemächlichen Pobeda-Wagen, die volumenstärksten Massenfahrzeuge jener Zeit, waren dazu zu langsam: der GAZ-M20 beschleunigte von 0 auf 100 km/h in 46 Sekunden und konnte beim besten Willen den rasanten ZIS-110 nicht einholen! Und der pompöse ZIS eignete sich für andere besondere Aufgaben der Sicherheitsdienste aus ganz offenbaren Gründen nicht. Es wurde deswegen klar: man brauchte ein neues Modell. Das aber wie ein Zivilfahrzeug aussieht.

Nicht mehr und nicht weniger. Der Sicherheitsdienst hat dem Automobilwerk Gorkij folgende Aufgabe formuliert: eine spezielle Pobeda-Version mit verbesserten Fahreigenschaften entwickeln und dabei nur die in der Serienfertigung verwendeten Teile und Baugruppen nutzen. Man brauchte also ein leistungsstarkes Fahrzeug, bei dem kein vom Standard abweichendes Aggregat verwendet werden durfte.

Der Chefkonstrukteur des GAZ-Werks Alexander Proswirnin übertrug diese schwierige Aufgabe Georgij Wasserman, dem Schüler des genialen Witalij Gratschow. Er war es, der während der Fertigbearbeitung des Pobeda die bekannte Einzelradfederung mit Vorderachszapfen entwickelte, die es mit geringfügigen Änderungen bis zum heutigen GAZelle geschafft hat, und danach die mit Allradantrieb ausgestatteten Fahrzeuge GAZ-M72 und M73 projektierte.

Wasserman standen im Grunde genommen keine Aggregate zur Auswahl, beim Pobeda‑"Verfolger" war er auf den 6-Zylinder-Motor des GAZ-12 mit 90 PS angewiesen, der seit 1949 in der Fertigung genutzt wurde.

Allerdings wurde vom ZIM nur der Motor übernommen, das 3-Gang-Getriebe und die Kupplung stammten vom Pobeda. Die Festigkeitsreserve der Aggregate reichte aus, obwohl der 6-Zylinder-Motor fast doppelt so leistungsstark wie der Ausgangsmotor des GAZ-M20 war. Dabei ging es nicht nur um die Verbilligung und Vereinfachung: im Getriebe des GAZ‑12 war anstelle von der gewöhnlichen Kupplung eine Wandlerschaltkupplung verbaut, beim "Verfolger" würde diese die notwendige Leistung wegnehmen und die wertvollen Beschleunigungssekunden rauben.

Im Ergebnis beschleunigte sich der Pobeda mit dem ZIM-Motor von 0 auf 80 km/h in 19 Sekunden und auf 100 km/h in 30 Sekunden! Die maximale Geschwindigkeit betrug 132 km/h.

Es wurde der Kardanantrieb ausgetauscht: dazu wurden zwei Wellen mit der Zwischenlagerung des GAZ-М21 verbaut, dessen Fertigung bald anlaufen sollte. Man brauchte einen leistungsstärkeren Kühler mit einem zusätzlichen Ölkühler und einer Öffnung zwischen den Waben für die Anlasskurbel. Die Baugruppe wurde ohne Überarbeitung vom GAZ-11-73 übernommen, im Ersatzteil-Fonds des Werks gab es noch reichlich davon, obwohl die Produktion des modernisierten Fahrzeugs der M-Serie noch 1947 ausgelaufen ist.

Um das Nicken des Autos mit der erheblich schwerer gewordenen Front zu verhindern, hat man die Federn dieses neuen Wolga genutzt und diese mit Distanzstücken aus Metall versehen. Die hinteren Blattfedern stammen vom Lieblingskind von Wasserman — GAZ‑M72.

Den Anweisungen des KGB entgegen hat man für den GAZ-M20G — genau diese Kennung erhielt der "Verfolger" — doch ein tatsächlich neues Teil anfertigen müssen. Egal, wie man sich um die Anordnung bemühte und versuchte, alle Aggregate unter der Haube zu verstauen, wollte der lange Sechszylinder-Reihenmotor nicht richtig hineinpassen. Deswegen musste man, wenn auch nicht radikal, die Trennwand des Motorraums ändern. Nun, besten Dank für die Konstrukteure: gerade an diesem Teil kann jetzt erkannt werden, ob das Fahrzeug ein echter "Verfolger" war oder dafür Garagenpfusch ausgegeben wird. 

Verdeckte Arbeit

 Der GAZ-M20G ist zu einem der seltensten sowjetischen Fahrzeuge geworden: 1956 wurden nicht mehr als 100 solche Fahrzeuge gebaut.

Etwa 80 Prozent der "Verfolger" kamen nach Moskau. Einige Exemplare von Spezialfahrzeugen sind auch den Republik- und sogar einigen Gebietshauptstädten zuteil geworden. In Kyjiw gab es 2–3 Fahrzeuge GAZ-M20G und ein Fahrzeug, denken Sie nur, hat sich in Kirowograd angesiedelt: die Stadt galt als ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt, wo nicht selten ausländische Gäste bei ihren Reisen untergekommen sind.

Selbstverständlich fielen die Fahrzeuge nach außen hin nicht unter anderen Pobedas auf. Was die Farbe angeht, so war es dem Sicherheitsdienst KGB im Grunde genommen nicht so wichtig, in welcher Farbe das Fahrzeug geliefert wird: ihnen stand eine besondere Dispersionsfarbe zur Verfügung.

Damit konnte das Fahrzeug schnell in eine andere Farbe lackiert und danach wieder mit warmem Wasser unter Druck abgespült werden — so etwas Ähnliches wie die heutigen Hochdruckreiniger Kärcher hatten die Sicherheitsdienste bereits damals!

Noch in den ersten Baujahren wurden die standardmäßigen Fahrzeuge GAZ-M20, mit denen die Sicherheitsdienste versorgt wurden, mit Rundfunkstationen ARS-2 ausgestattet: die platzraubende Röhrentechnik wurde im kleinen Gepäckraum untergebracht. Und in Moskau gab es seit 1952 einfache Funktelefone, die über die Langwellenfunkverbindung funktionierten, als Zwischensender fungierte der Schabolowka-Radioturm.

Im Handschuhfach der "Verfolger" befand sich in der Regel ein Fernglas oder ein Nachtsichtgerät. Auf dem Boden neben der Rückbank lagen unansehnliche Säcke mit Wechselkleidung und einem Satz von amtlichen Kennzeichen. Die Kleidung mit der ungewöhnlichen Kehrseite wurde für den KGB in Finnland angefertigt. Es gibt Legenden, die berichten, dass man in den Fahrzeugen noch den zweiten Kühlergrill mitgeführt hat, um der Pobeda der dritten Serie in den Pobeda der zweiten Serie und umgekehrt zur Tarnung rasch umwandeln zu können. Aber das ist reine Fantasie: die Kühlergrills waren nicht gegenseitig austauschbar. Übrigens ist die neue "lächelnde" Verkleidung beim GAZ‑M20W mit drei breiten Stangen dank Wasserman und seinem GAZ-M72 erschienen, bei dem die Lüftungsöffnungen im Kühlergrill für die bessere Belüftung des Kühlers vergrößert werden mussten. Aus logischen Gründen wurde diese Verkleidung auch beim Pobeda eingeführt.

Der einzige Unterschied des Innenraums des GAZ-М20G zum üblichen Pobeda besteht im vom ZIM übernommenen Sitzbezug — der ist viel strapazier- und widerstandsfähiger. Dazu hat man beim Pobeda gegen Mitte der 1950er Jahre Lederersatz umfassend genutzt und der Innenraum beim GAZ-12 war immer mit solidem Stoff bezogen: es war eine Unanständigkeit, dass die Rücken der Agenten den ganzen Tag durch das Kunstleder schwitzen mussten!

Die Fahrzeuge GAZ-М20G standen im Dienstgebrauch des KGB und wurden für die Begleitung der Regierungskolonnen bis 1963 verwendet, als sie durch das Fahrzeug der neuen Generation, den Wolga GAZ-23 mit dem Motor und dem Automatikgetriebe des Tschajka abgelöst wurden.

Fast alle einzigartigen Pobeda-Fahrzeuge wurden gnadenlos abgeschrieben, und das einzige unbeschädigt gebliebene und wahrheitsgetreue Exemplar des GAZ-M20G ist das Fahrzeug, das Sie auf unseren Seiten sehen.

 Aus Kyjiw nach Estland. 

Dieses Fahrzeug haben Esten gefunden, die Gründer des wunderbaren Museums für spezielle Mittel des KGB. Im Museum wird eine massive Automobilexposition vorbereitet, da gibt es zum Beispiel einen nicht weniger seltenen GAZ-3113, den letzten von "Verfolgern" aus Gorkij. Klar musste das gefundene Exemplar des GAZ-M20G vollständig restauriert werden, und die Auftraggeber zeigten enorme Akribie bei dieser Frage. Die Meister, die die Arbeit auf einem angemessenen Niveau ausführen könnten, suchte man buchstäblich in der gesamten ehemaligen UdSSR und entschied sich letztendlich für die Werkstatt "Autoclassic" aus Kyjiw.

Die estnischen Spezialisten haben unseren Restauratoren geholfen, bei der Wiederherstellung des Fahrzeugs die maximale technische Detailtreue zu erreichen, indem sie sie bis in die kleinste Nuance beraten haben. Das Fahrzeug verfügt sogar über den seltenen doppelten Vergaser K-21: er wurde werksseitig am Motor GAZ-12 montiert, aber dann in der Regel, wegen seines launischen Verhaltens im Betrieb, durch den Vergaser des GAZ-51 ausgewechselt.

Einige Abweichungen hat man sich auch beim Aussehen genehmigt. Schwarz ist der Wunsch des Museums, in dieser Farbe kommt der Wagen voll zur Geltung, aber das Werk hat den Pobeda nie schwarz lackiert. Anders waren auch die inneren Fensterrahmen: im Original waren sie aus Metall gefertigt und wurden nach einem Sonderverfahren mit Farbe auf Holz getrimmt, dabei war die Oberflächenstruktur so, dass sie sich vom echten Holz kaum unterscheiden ließ. Es ist erstaunlich, aber 75 Jahre später kann dieses Verfahren mit modernen Mitteln einfach nicht nachgebildet werden, deswegen mussten die Rahmen bei einem Kunsttischler und das Ahorn-Massivholz mit entsprechender Maserung sogar in Kanada bestellt werden.

Am Ende erhielt man ein wunderbares Exemplar des einmaligen und aller Wahrscheinlichkeit nach des weltweit einzigen Oldtimers. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung ist der GAZ-M20G bereits in Estland: das Fahrzeug wurde durch internationale Experten eingehend beurteilt, die den Kyjiwer Meistern das höchste Niveau der Restaurierungsarbeiten und die höchste Authentizität attestiert haben.